Du möchtest Dolmetscher oder Übersetzer werden? Du spielst mit dem Gedanken, ein Übersetzer-Studium aufzunehmen und eventuell im Anschluss ein Studium zum Konferenzdolmetscher daraufzusetzen? Oder dich interessiert einfach, was man als angehender Übersetzer und Dolmetscher im Studium lernt? Oder du möchtest wissen, was einen professionell ausgebildeten Übersetzer und Dolmetscher von einem Laien-Sprachmittler unterscheidet? Hier erfährst du’s.

Häufig stoßt man auf Vorurteile über die Ausbildung zum Übersetzer und Dolmetscher sowie über die jeweiligen beruflichen Tätigkeiten. Ich denke, alle professionellen Übersetzer- und Dolmetscherkollegen wissen bereits jetzt wovon ich spreche:

  • Als Übersetzer müsse man lediglich einen Blick in das Wörterbuch werfen, um seiner Arbeit nachzugehen.
  • Übersetzer seien in der Regel selbst ambulante Wörterbücher und Enzyklopädien, die auch um 3 Uhr nachts im Schlaf jede Vokabelfrage in Windeseile beantworten können.
  • Jeder könne übersetzen, beziehungsweise jeder kenne jemanden, der „die Sprache kann“ und etwas schnell übersetzen könne.
  • Als Übersetzer müsse man lediglich Kenntnisse in zwei Sprachen aufweisen, um korrekt in beide Sprachrichtungen übersetzen zu können.
  • Computer und Online-Übersetzungsangebote seien viel schneller und besser als menschliche Übersetzer.
  • Übersetzen und Dolmetschen seien dasselbe.
  • Fürs Dolmetschen müsse man nur zwei Sprachen beherrschen und kommunikativ sein.
  • „Ich brauche keinen Konferenzdolmetscher; einfach nur jemanden, der dolmetscht“

Wer auch nur einem der Punkte zugestimmt hätte, dem empfehle ich, sich zunächst mit der Publikation der Europäischen Kommission „Übersetzen und Dolmetschen: Mit Sprachen arbeiten“ vertraut zu machen. Auf wenigen Seiten liefert sie Grundwissen zum Übersetzen und Dolmetschen.

Zu Genüge findet man im Internet humoristische Bilder, die aufzeigen, welche Sätze und Fragen man einem Übersetzer oder Dolmetscher gegenüber lieber nicht äußern sollte. Ein Beispiel:

10 Things You Should Never Say to a Translator

In diesem Blog-Eintrag möchte ich der berechtigen Frage nachgehen: Wie werde ich Übersetzer oder Dolmetscher und was lernt man eigentlich im Dolmetscher- bzw. Übersetzer-Studium? Die nachfolgenden Zeilen bieten einen Überblick über relevante Unterrichtsinhalte jedoch ohne Gewähr auf Vollständig- oder Vollkommenheit.

Inhalte der Dolmetscher- und Übersetzer-Ausbildung

  • Feinschliff der Sprachkenntnisse (nicht nur Fremdsprachenkenntnisse)
    Elementares Werkzeug eines jeden Übersetzers ist die Sprache, sowohl die eigene als auch die fremde. Zu Beginn des Studiums wird in der Regel ein gewisses Sprachniveau in der Fremdsprache erwartet. Diese Fremdsprachenkenntnisse werden in den ersten Semestern optimiert. Angebote zur Förderung der muttersprachlichen Deutsch-Kenntnisse gibt es seltener. Es ist somit umso wichtiger, selbst um seine professionellen Kenntnisse im Deutschen Sorge zu tragen. Auch das Unterrichtsangebot im Fremdsprachenunterricht reicht in der Regel nicht aus, um seine Kenntnisse in der Fremdsprache auf ein hohes Niveau zu bringen. Es ist wichtig, sich auch privat um die Optimierung seiner Sprachkenntnisse zu kümmern.
  • Kulturwissenschaft
    Der kulturwissenschaftliche Unterricht dient der Erweiterung der kulturellen Kenntnisse – klingt logisch. Unterrichtsinhalte können literarische, künstlerische, historische, ethnologische und mediale Themen ansprechen. Neben der eigentlichen Unterrichtsinhalte werden hier insbesondere methodische Kenntnisse gefördert, beispielsweise die Lektüre und Analyse wissenschaftlicher Artikel, Recherchekompetenz und das Verfassen wissenschaftlich wertvoller Texte.
  • Sprachwissenschaft (Linguistik)
    Die Inhalte des sprachwissenschaftlichen Unterrichts beleuchten die Themen Sprache und Sprechen aus einem theoretischen Blickwinkel. Teilgebiete des großen Felds der Sprachwissenschaft sind unter anderem die Vergleichende Sprachwissenschaft, Allgemeine Sprachwissenschaft (Untersuchung des Wortschatzes (Lexikologie), der Wortbausteine (Morphologie), der Sprachlaute (Phonetik), der Sprachlautsysteme (Phonologie), der situationsabhängigen Bedeutung von Äußerung (Pragmatik), der Bedeutung sprachlicher Einheiten (Semantik) und der Struktur von Sätzen (Syntax) sowie die Angewandte Sprachwissenschaft (bspw. Computerlinguistik, Forensische Linguistik, Internetlinguistik, Soziolinguistik).
    Wie auch schon bei der Kulturwissenschaft erwähnt, fördert der wissenschaftliche Unterricht die oben beschriebenen methodischen Kompetenzen der Lektüre, Analyse, Recherche und Redaktion.
  • Translatologie
    Translatologie ist der Überbegriff für Übersetzungswissenschaft und Dolmetschwissenschaft.
    Die Übersetzungswissenschaft setzt sich mit der Geschichte und der fortschreitenden Entwicklung der Übersetzung als Wissenschaft auseinander. Die Translatologie wird als Interdisziplin bezeichnet, das heißt, es gibt zahlreiche Schnittpunkte mit anderen (meist umfangreicheren) Wissenschaften, wie beispielsweise der Kultur- und Sprachwissenschaft. Mögliche Themen sind: Was macht einen professionellen Übersetzer und eine hochwertige Übersetzung aus? Was sind die einzelnen Schritte beim Übersetzen? Was sind praktische Problemstellungen beim Übersetzen und in der Übersetzer-Ausbildung? Wohin entwickelt sich die Übersetzerwelt angesichts der modernen Entwicklungen?
    Ähnliche Fragestellungen werden in der Dolmetschwissenschaft aufgeworfen. Wie entwickelte sich das Dolmetschen im Laufe der Geschichte? Wie misst man die Qualität beim Dolmetschen? Welche Inhalte sollten Bestandteile der Dolmetscher-Ausbildung sein? Wie lassen sich moderne Medien produktiv einsetzen?
  • Praktische Übungen: Übersetzungsübungen & Dolmetschübungen
    Natürlich braucht es auch pragmatischen Unterricht, denn nichts geht übers Üben, Üben und Üben. Neben dem Anfertigen eigener Übersetzungen bzw. Dolmetschungen, ist die Besprechung der Ergebnisse in der Gruppe von entscheidender Wichtigkeit. Man lernt voneinander, kritisiert einander und erhält wertvolles Feedback. Außerhalb des Unterrichts muss auch zu Hause weitergeübt werden, damit der erbrachte Einsatz auch Früchte trägt. Außerdem gewinnt man Erfahrung und lernt mit kniffligen Situationen umzugehen. Je mehr schwierige Situationen im Unterricht besprochen werden und je mehr „Fehler“ in der Studienzeit begangen werden, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass einem auf dem Markt weniger Fehltritte passieren. Insbesondere beim Dolmetschen kommt es darauf an, verschiedene Situationen durchzuspielen: Was mache ich, wenn der Redner zu langsam oder zu schnell spricht? Und wenn er nuschelt? Und wenn er einen starken Akzent hat? Und wenn er seine Sätze nicht beendet oder lange Schachtelsätze bildet? Was mache ich, wenn die Technik aussetzt? Sowohl in Dolmetsch- als auch Übersetzungsübungen steigt das Niveau von Semester zu Semester. Die Übersetzungsübungen gliedern sich in zunächst allgemeinsprachliche Übersetzungsübungen und später auch Fachübersetzungsübungen. Im allgemeinsprachlichen Übersetzungsunterricht ist der Schwierigkeitsgrad noch geringer, damit man als angehender Übersetzer überhaupt erst Fuß fassen kann. Fachübersetzungsübungen befassen sich mit Texten aus spezifischen Fachgebieten, wie Recht, Wirtschaft, Technik oder Medizin.
  • Allgemeinwissen, Fachwissen & Landeskunde
    „Beherrsche die Sache, dann folgen die Worte“, wusste schon Cato der Ältere. Im Laufe des Studiums wird man sich bewusst, wie wichtig es ist, die Themen die man von einer in die andere Sprache überträgt, überhaupt zu verstehen. Als nützliches Angebot zur Förderung des Fachwissens gab es an meiner Universität (Johannes-Gutenberg-Universität Mainz/FTSK Germersheim) den Sachfach-Unterricht. Auch weiteres landeskundliches Hintergrundwissen ist alles andere als schädlich. Das Lesen/Hören von Nachrichten wird somit alltägliche Routine.
  • Analysekompetenz & Recherchekompetenz
    Diese Fertigkeiten wurden schon weiter oben angesprochen. Während der Ausbildung ist es nötig zu erlenen, das Ausgangsmaterial dolmetsch- und übersetzungsrelevant zu analysieren. Hierbei kommt es auch darauf an, Informationen schnell und gekonnt in Erfahrung zu bringen. Wo und wie recherchiert man, wo findet man die genau die Informationen, die man benötigt?
  • Dolmetsch- und übersetzungsrelevanter Technologieeinsatz
    Es gibt zahlreiche computergestützte Helferlein, die Dolmetschern und Übersetzern im Berufsalltag unterstützen, doch auch der allgemeine Umgang mit dem Computer und dem Internet muss gelernt werden. Wie nutze ich die neuen Medien, um effizienter und effektiver zu arbeiten? Wie recherchiere ich richtig? Wo finde ich gezielt die Informationen, die ich benötige? Wie verhalte ich mich in der Online-Welt professionell? Wie vernetze ich mich mit Kollegen und potenziellen Kunden?
  • Professionalisierung
    Der Professionalisierungsunterricht hat weniger mit dem Handwerk eines Dolmetschers und Übersetzers zu tun, sondern unmittelbar mit dem Berufsleben und der Marktsituation. Dieser Unterricht ist Gold wert, da hier wichtige Fragen gestellt und besprochen werden können, damit der Berufseinstieg klappt. Auch wenn nicht alle Fragen zu vollster Zufriedenheit der Allgemeinheit beantwortet werden, ist bereits die Konfrontation mit relevanten Fragen von enormer Wichtigkeit. Als Teilnehmer erhält man Grundlagenwissen, um sich dann selbst zu informieren.

„Bei der Übersetzung geht es nicht nur um Worte, sondern darum, eine ganze Kultur verständlich zu machen.“

– Und was studierst du?
– Ich studiere Übersetzen und Dolmetschen.
– Ach, also was mit Sprachen?
– Nein.

Beziehungsweise Jain. Natürlich sind Sprachen eines der Hauptelemente im Studium und Berufsalltag. Aber es gibt noch viel mehr, das im Studium erlernt und im beruflichen Alltag beachtet werden muss. Zu Beginn des Studiums werden Sprachkenntnisse noch optimiert, aber dabei handelt es sich wahrhaftig nur noch um einen Feinschliff. Solide Sprachkenntnisse müssen bereits zu Beginn des Studiums vorhanden sein, da man sich auf andere Aspekte konzentrieren muss. Sprachen- und textrelevante Aspekte sind beispielsweise die Analyse- und Recherchekompetenz, um dann eine hochwertige Übersetzung bzw. Dolmetschung zu liefern. Auch der übersetzungs- bzw. dolmetschrelevante Umgang mit dem Computer und diversen Softwarelösungen (beispielsweise CAI- und CAT-Tools) möchte erlernt werden. Um später Fachübersetzungen anbieten zu können, benötigt es Fachwissen in gewissen Gebieten. In den Fachübersetzungs- und Sachfach-Übungen werden diese Fachkenntnisse vermittelt.

Aber es gibt, wie oben erwähnt, weitere Elemente, die von entscheidender Wichtigkeit sind, aber weniger mit dem reinen Sprachmittler-Handwerk zu tun haben. Ich denke da in erster Linie an Wirtschafts- und Marketing-Kenntnisse: Wie professionalisiere ich mich und etabliere ich mich auf dem Markt? Wie gründe ich? Wie mache ich Werbung? Wie verkaufe ich mich von meiner besten Seite und wie bringe ich meine Leistungen an den Mann? Wie bekomme ich Kunden, wie behalte ich sie? Wie kommuniziere ich mit Kunden und Kollegen? Wie schreibe ich ein Angebot und was sind Pflichtbestandteile einer Rechnung? Wie funktioniert die Zusammenarbeit mit Übersetzer- und Dolmetscherkollegen? Wie bilde ich mich ein Leben lang weiter? Was liegt mir, wo stehe ich heute und wo möchte ich hin?


Des Weiteren ist zu bedenken, dass ein Studium nur die Grundpfeiler vermitteln kann. Es liegt am Studierenden, das Beste aus der Studienzeit zu holen und sich außerhalb der Universitätsgebäude fortzuentwickeln, sei es durch Fachlektüren, Online-Angebote oder den Besuch von Veranstaltungen (Stammtische, Messen, Seminare …), um sich auf den Berufsalltag optimal vorzubereiten und Kontakte zu knüpfen. Anhand der oben aufgeführten Liste, die – wie eingangs erwähnt – keineswegs vollständig ist, möchte ich aufzeigen, wie viel Wissen und Kompetenzen in einem professionellen Übersetzer und Dolmetscher schlummern. Von wegen man müsse nur zwei Sprachen beherrschen und kommunikativ sein …

Auf Englisch: NUR ein Übersetzer? Ich bin Buchhalter, IT-Dienstleister, Vermarkter, Manager, Leiter, persönlicher Assistent und Übersetzer.
NUR ein Übersetzer? Ich bin Buchhalter, IT-Dienstleister, Vermarkter, Manager, Leiter, persönlicher Assistent und Übersetzer.
(Quelle: transpremium.com/language-and-translation-memes)

Nützliche Links

Nachfolgend eine Liste mit nützlichen Links zu den Themen „Wie werde ich Übersetzer?“, „Wie werde ich Dolmetscher?“ und „Inhalte der Dolmetscher- und Übersetzer-Ausbildung“

Thomas Baumgart ist Konferenzdolmetscher und Übersetzer für Spanisch, Polnisch und Deutsch. Fachgebiete sind Industrie, Technik (IT) sowie Landwirtschaft & Ernährung. Im Blog eines Brückenbauers berichtet er von seinem Berufsalltag als Übersetzer und Dolmetscher und weiteren damit verbundenen Themen.

Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Scroll to Top