Nicht erst seit der Corona-Pandemie existiert das Prinzip des simultanen Ferndolmetschens, neuerdings auch Remote Simultaneous Interpreting (RSI) genannt. Die Simultandolmetscher befinden sich nicht am Ort des Geschehens, sondern sind per Internet aus einem so genannten Dolmetsch-Hub (Remote-Hub) zugeschaltet. Das ist praktisch für virtuelle Veranstaltungen, wenn auch die Teilnehmer an verschiedenen Orten sitzen.

Was ist ein Dolmetsch-Hub?

Unter einem Hub versteht man in der Kommunikations- und Netzwerktechnik Geräte, die Netzknoten verbinden. Ein Dolmetsch-Hub ist also der Knotenpunkt, an dem die Teilnehmer einer Veranstaltung und die Dolmetscher zumindest virtuell zusammenkommen. Die Simultandolmetscher erhalten in zu diesem Zweck eingerichteten Kabinen die Ton- und Bildübertragung und dolmetschen von dort aus das Geschehen. Ein Dolmetsch-Hub kann fest eingerichtet oder mobil sein. Ein Beispiel für permanente Dolmetsch-Hubs sind Büroräume, die eigentlich keine Kabinen sind, aber zu solchen umfunktioniert werden. Im Juli 2017 eröffnete in den Räumlichkeiten der Firma Neumann&Müller Veranstaltungstechnik in Neuhausen bei Stuttgart der deutschlandweit erste permanente Remote-Hub für Simultandolmetschen, der also rein zum Ferndolmetschen genutzt wird. Von einem mobilen Hub spricht man, wenn in einer ausreichend großen Räumlichkeit gängige mobile Dolmetsch-Kabinen aufgestellt und mit der nötigen Technik ausgestattet werden. Diese Dolmetsch-Installation wird nach Beendigung der Veranstaltung wieder abgebaut. In jedem Fall reisen die Dolmetscher nicht zum eigentlichen Veranstaltungsort, sondern zu einem Dolmetsch-Hub in ihrer Nähe. Mit entscheidenden Fragen wie die Sicherstellung der Stromversorgung, Internetanbindung, Verknüpfung mit Videokonferenz-Diensten (also Zoom, Microsoft Teams, Webex …), weitere Infrastruktur sowie Daten- und Cybersicherheit befasst sich dabei die Technikfirma, die den Dolmetsch-Hub betreibt. Die Dolmetscher können sich also auf ihre Kernaufgabe, das mündliche Übertragen von Aussagen, konzentrieren.

Wie viele Dolmetsch-Hubs gibt es in Deutschland?

Eine Übersicht über die weltweit existierenden Remote-Hubs ist in dieser Google Maps-Karte zu finden. Die größten Hubs in Deutschland werden von den Firmen Neumann&Müller, PCS, Brähler und Ellerbrock betrieben. Es gibt Dolmetsch-Hubs unter anderem in München, in und um Stuttgart, Heilbronn, Königswinter, Köln, Düsseldorf, Hamburg und Berlin. Auch im verschlafenen Odenwald-Örtchen Absteinach befindet sich ein Hub an der Firmenzentrale von Ellerbrock Konferenztechnik. Diesem durfte ich vergangene Woche im Rahmen eines RSI-Einsatzes einen Besuch abstatten.

Meine Erkenntnisse vom Ferndolmetsch-Einsatz aus dem Dolmetsch-Hub in Absteinach

  • Es war sehr ungewöhnlich, alleine in einer Mini-Dolmetschkabine zu sitzen. Nur per Handzeichen konnte ich mich mit meiner Polnisch-Partnerin verständigen. Sie saß in der Kabine neben mir. Sich gegenseitig helfen konnte man nicht.
  • Es war sehr ungewöhnlich, aus der Kabine auf einen kleinen PC-Monitor zu blicken, auf welchem die Sitzungsteilnehmer zu sehen waren. Dahinter hatten wir zum Glück ein Fenster mit Ausblick ins Grüne, doch die Kollegen weiter links blickten auf eine öde weiße Wand.
  • Die Zusammenarbeit mit und die Versorgung mit Speisen und Getränken durch die Firma Ellerbrock waren hervorragend.
  • Die Zusammenarbeit zwischen den Dolmetschern war herzlich und entspannt. Es war jedoch sehr seltsam, dass nur die Dolmetscher und Techniker vor Ort waren.
  • Die Technik lief souverän. Es gab keine nennenswerte Aussetzer oder Probleme.
  • Alles in allem war es eine angenehme und sogar spaßige Erfahrung, auch wenn uns natürlich große Präsenzveranstaltungen fehlen.
Die Mini-Kabine im Dolmetsch-Hub
Die Mini-Kabine im Dolmetsch-Hub

Dos & Don’ts für Videokonferenzen, die gedolmetscht werden

Meine Erfahrung im Remote-Hub war vollends positiv. Dass alles reibungslos verlief, ist größtenteils der wichtigen Arbeit der Techniker vor Ort im Dolmetsch-Hub zu verdanken. Am Vortag der Veranstaltung führten sie einen Testlauf mit den Teilnehmern durch, um sicherzustellen, dass technisch und organisatorisch alles glatt läuft. Auch am Tag des Dolmetsch-Einsatzes war immer mindestens ein Techniker für uns zur Stelle.

Es ist entscheidend, dass sich die Teilnehmer einer Videokonferenz, die verdolmetscht wird, an gewisse Punkte halten. Diese Erfolgsfaktoren habe ich in der Liste Dos & Don’ts für Videokonferenzen, die gedolmetscht werden, festgehalten. Das Wichtigste in Kürze:

DosDon’ts
Testen der Technik & PlattformPlanlos ins Blaue arbeiten
Genügend Zeit & Pausen einplanenÜberziehen & Pausen nicht einhalten
ModerationOhne Moderator
Stummschaltung von MikrofonenUnnötig aktivierte Mikrofone
Namen nennenLosquatschen
Ausreichende InternetverbindungSchwaches Internet
Ein hochwertiges BildKein oder ein verpixeltes Bild
Hochwertige Mikrofone & TonquellenEin minderwertiges Audio-Equipment
GehörschutzOhne Gehörschutz
Mehrere KommunikationskanäleNur ein Kommunikationskanal

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Thomas Baumgart ist Konferenzdolmetscher und Übersetzer für Spanisch, Polnisch und Deutsch. Fachgebiete sind Industrie, Technik (IT) sowie Landwirtschaft & Ernährung. Im Blog eines Brückenbauers berichtet er von seinem Berufsalltag als Übersetzer und Dolmetscher und weiteren damit verbundenen Themen.

1 Kommentar zu „Bericht aus dem Dolmetsch-Hub“

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